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DIE FLUCHT MIT VERLUST UND HOFFNUNG - Eine Kurzgeschichte

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Der Angst entkommen. Ich bin auf der Reise ins Glück, in den Frieden. Weg von Krieg, Hunger und schlechten Umständen. Meine Kinder werden später ein besseres Leben haben als ich es je hatte. Und das ist gut so! Mit diesen Sätzen im Gedanken kämpfte ich mich Berge hoch. Meine Kinder an den Händen haltend und mit Reiseproviant im Rucksack liefen wir Schritt für Schritt unserem Glück entgegen. Doch fehlte jemand auf dieser Reise. ''Mama, ich kann nicht mehr.'' Mein 6 jähriger tapferer kleiner Kerl. Seine kleinen Kinderaugen haben bereits zu viel gesehen.

''Wo ist Papa?'' Ich wusste, dass diese Frage früher oder später aufkommen würde. Wie sollte ich ihnen erklären wo ihr Vater ist, wenn es mir selbst ein Rätsel ist. ''Er wird nachkommen.'', antwortete ich knapp. Kurz vor unserem Aufbruch haben wir uns in der Masse an Menschen verloren.

Er wurde förmlich von uns weggedrückt. Seine letzten Worte waren, dass ich, egal was passieren sollte, immer nur in Richtung Europa laufen soll und dass, wenn ich da bin ich auf ihn warten soll. Ich habe mich noch nie so schlecht gefühlt.

Ich habe ihn einfach im Stich gelassen. Wer weiß wo er gerade ist! Ob ihm was passiert ist? Hoffentlich nicht. Er war in unseren schlechten Zeiten immer für die Familie da. Er hat es sich verdient auch die gute Zeit mit uns zu verbringen. Diese gute Zeit erleben wir hoffentlich in Europa. Mit ihm zusammen. Ich versuchte stark zu bleiben. Für meine Kinder. Um ihnen zu zeigen, dass alles gut wird, dass es noch Hoffnung für uns gibt und dass ihr Vater bald bei uns ist. Doch ob wir Europa überhaupt erreichen ist eine Frage für sich. Genauso wie die Frage ob er noch lebt und ob er uns findet. Doch diese Fragen versuche ich zu verdrängen, was nicht gerade einfach ist, wenn man auf einer nie zu enden scheinenden Wanderung ist. Denn da hat man viel Zeit zum Nachdenken. ''Mama, lüge bitte nicht! Woher willst du wissen ob er überhaupt noch lebt?'' Meine Tochter war schon älter und verstand die Situation. ''Wir haben ihn zurück gelassen!'', fing sie nun an zu weinen. Ich selbst kämpfte mit meinen Tränen und mein kleiner Sohn schaute mich nur mit leeren Augen an. Es ist lange her seit ich ihn das letzte Mal lachen sah. Das schlechte Gewissen breitete sich in mir aus. Ich wollte meinen Mann doch genauso sehr bei uns haben. Hätte ich bloß nicht auf ihn gehört und wäre nicht einfach ohne ihn gegangen. ''Willst du das ernsthaft jetzt mit mir diskutieren?'', fragte ich sie mit ausgebreiteten Armen die ich daraufhin fassungslos fallen ließ. Ich schleppte mich schwer weiter. Jeder Schritt schien mich irgendwie nach hinten zu ziehen, denn ich dachte an die wertvollen Dinge die ich zurücklassen musste. Ja, natürlich wird unsere Zukunft in Europa besser werden. Alles ist besser als Krieg. Aber man vermisst trotzdem einiges. Und außerdem wissen wir alle nicht genau was uns erwartet. Man sagt wir wären nicht überall erwünscht. Doch was bleibt uns denn auch anderes übrig als von allem was wir hatten Abschied zu nehmen und das Sichere zu suchen? Manche berichten von Attentaten auf die Wohnheime unserer Leute. Ist es tatsächlich der richtige Gedanke gewesen diesen steinigen Weg als den Weg zu sehen, der uns ins Glück führen wird? Es wird schwer werden dort zurecht zu kommen, dort Menschen zu finden, die uns unterstützen. Aber sehr dankbar über die Tatsache, dass manche Menschen bereit sind uns zu akzeptieren. Allein der Bau solcher Wohnheime ist warmherzig. Egal was kommt, ich werde immer diesen Weg gehen, der uns nach Europa führt und dort werde ich auf ihn warten. Komme was wolle. Wir werden uns anfangs sehr schwer tun, doch es wird die Zeit kommen in der wir uns dort wohlfühlen. Einer Zeit in der meine Kinder zur Schule gehen können, sich mit Freunden treffen und endlich mal wieder lachen. Das gibt mir den Antrieb trotz jeglicher Verluste weiter zu laufen. Ein Neuanfang woanders ist genau das, was wir brauchen. Nur vermisse ich meinen Mann. Seit zwei Wochen sind wir nun unterwegs. Und ich vermisse ihn. Meine Füße tun weh und das Essen wird knapp. Auf dieser Reise habe ich viele solcher auseinandergerissenen Familien kennengelernt, denen es so ähnlich geht wie mir. Auch sie haben Menschen zurück lassen müssen, die ihnen was bedeuten. Meinen Sohn musste ich nach einer Weile Huckepack tragen, weil er zusammengesackt ist. Ist es das alles wert? Wann werden wir endlich ankommen und wann werden wir endlich glücklich? Ob all das hier sich lohnt wird sich noch zeigen. Doch nichts in blöder als das Gefühl jemanden einfach zurück zu lassen. Ich komme mir sehr egoistisch vor. Ich habe mein Glück seines vorgezogen. Aber er wollte es so, versuchte ich mich zu rechtfertigen. Ich schloss meine Augen, wünschte mir er würde direkt vor mir stehen, wenn ich meine Augen öffnete, zählte bis 3 und öffnete sie dann schließlich. Vergeblich. Keine Spur von ihm. Das Gewicht meines Sohnes belastete mich gar nicht im Gegensatz zu der Last meiner Tat. Ich wünschte ich könnte zurück spulen, ihn zu dem Zeitpunkt ganz fest am Arm halten und nicht zulassen, dass er von der Masse weggespült wird. Doch jetzt ist es wie es ist. Und ich kann gerade nichts dagegen machen. Die Stimmung war deprimierend. Alle waren in ihren eigenen Gedanken versunken, denn manche haben mehr und manche weniger zurückgelassen. Doch wir waren alle in derselben Situation. Wir trauerten dem hinterher was wir hatten und waren gespannt auf das, was uns erwarten wird. Meine Tochter schien böse auf mich zu sein. Ich kann es ihr nicht verübeln. Doch es lässt sich nicht ändern. Ihre Laune wird sich bestimmt irgendwann bessern. Aber ich, ich bin müde vom Überlegen ob es richtig oder falsch war einfach alles stehen und liegen zu lassen um zu flüchten. Ich möchte einfach nur noch mit meinen Kindern und am besten auch mit meinem Mann zusammen ankommen und ein glückliches Leben führen, wie alle anderen Europäer auch. Ich möchte keine Angst mehr vor Angriffen und Bomben haben. Was ich möchte und wofür ich hier stehe ist, dass ich auch irgendwann ankomme und dort wo ich ankomme soll es meinen Kindern gut gehen und diesen Ort möchte ich dann mein zu Hause nennen. Mit diesem Gedanken bin ich losgegangen und mit diesem Gedanken werde ich auch ankommen. Mein Ziel ist es einfach nur das Glück was dort auf uns wartet. Das Leben, dass wir dort führen werden haben wir uns alle wohl verdient.

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