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Schülerinnen und Schüler in Russland und in Deutschland - Ein Erfahrungsbericht

 

Wodka trinken, grillen im kalten Winter und Matrjoschkas.
Von diesen Klischees ist hin und wieder mal unser Bild von Russland und den dort lebenden Menschen geprägt.
Wer einmal in Russland gewesen ist, der weiß, dass diese Bilder nicht unbedingt mit der Realität übereinstimmen.
Am Heinrich-Böll-Gymnasium hatte ich die Möglichkeit an einem Schüleraustausch mit der Puschkinschule in Jaroslavl teilzunehmen und mir ein Bild von der Wirklichkeit Russlands zu machen.
Im Grunde war es mir nicht selten peinlich, dass die Russen sich mehr für Kultur interessieren als wir es tun. Theater- und Museumsbesuche sind auch in der jungen Generation sehr beliebt. Alkohol unter 18? Verboten!
Meine Austauschpartnerin hat sich privat in einem Literaturkurs angemeldet und ein Junge, der sich auch in der Austauschgruppe befand, interessierte sich für Komponisten wie zum Beispiel Tschaykovsky oder Mozart.
Ein Mädchen namens Tanja, mit der ich noch Kontakt pflege ist ein Paradebeispiel für das, was ich meine. Regelmäßig schickt sie mir Bilder von Kunstausstellungen, die sie besucht. Dazu interessiert sie sich für Geschichte, auch die anderer Länder und klassische Musik wie zum Beispiel die Kompositionen von Rachmaninov.
Darüber hinaus verfügten alle Russen in unserer Gruppe über ein Deutsch zum Niederlegen. So wie wir Englisch lernen, lernen unsere Gastschüler Deutsch. Meine Austauschpartnerin lernt seit fast zehn Jahren Deutsch und bildet sich privat in der Sprache weiter, während sie Englisch erst seit zwei Jahren in der Schule lernt. Auch hier belegt sie private Kurse zur Weiterbildung.
Grundsätzlich ist die Einstellung zur Bildung in Russland bei den Jugendlichen anders. Allein die Optik in der Schule ist auffällig.
Kleine Kinder in schicken Kleidern oder im Anzug in der Schule zu sehen ist selbstverständlich. In der Schule ist nur schwarze, weiße, graue oder dunkelblaue Kleidung erwünscht. Keine kurzen Röcke, keine zerissenen Jeans, keine tiefen Ausschnitte.
Ein weiterer, auffallender Aspekt sind die Lehrnmethoden. In Deuschland kann man beobachten, dass die Lernmethoden immer wieder zwischen Auswendiglernen und problemlösendem Denken variieren. In Russland ist das ein wenig anders. Im Normalfall muss man nur auswendiglernen. Allerdings ist die Menge des Lernstoffes immens.
In Deutschland wissen viele Kinder nicht, wer Heinrich Heine war, in Russland findet man Teenager, die ein Gedicht von ihm vortragen können.
So beeindruckend das wirken kann, der Fakt, dass pures Auswendiglernen das Gehirn auf Dauer nicht beansprucht und, dass Probleme lösen lernen dafür jedes Mal gut für das Gehirn und die geistige Entwicklung ist, bleibt.
Zudem herrscht ein hoher Druck in den russischen Schulen. Ungefähr 97 von 100 Antworten müssen in den Abschlussklausuren richtig sein, um an einer guten Universität einen Studienplatz zu bekommen. Die Schule wird in der Regel sehr ernst genommen.
Auch das Verhältnis zum Lehrer ist ein Anderes. Während in Deutschland immer mehr Schulen Probleme damit haben, dass Lehrer immer weniger Respekt erhalten, dass Schüler und Schülerinnen faul, müde oder demotiviert sind oder, dass das Mobbing an Schulhöfen und im Internet nicht einzudämmen ist, sitzen Kinder im Unterricht still und lassen die Unterarme auf dem Tisch übereinandergelegt. Wenn der Lehrer spricht, ist Ruhe und man spricht, wenn man dazu aufgefordert wird. Natürlich flüstern (meist ältere Schüler) auch mal miteinander, aber die Autorität des Lehrers ist deutlich spürbar.
Jedoch geht es dort nicht immer strenger zu.
In Deutschland kann man nur heimlich und unauffällig auf das Handy schauen, wenn man sich in der Schule befindet, damit es einem nicht abgenommen wird. In Russland hingegen ist es gerade zu normal, an seinem Handy zu sein, auch im Gebäude. Viele benutzen es auch im Klassenraum, bevor der Unterricht beginnt.
Churchill sagte damals "Russland ist ein Rätsel, innerhalb eines Geheimnisses, umgeben von einem Mysterium.". Während meines Aufenthaltes in Jaroslavl konnte ich das ein stückweit nachvollziehen.
Jaroslavl, das als Stadt mit wenig Geld auskommen muss, wo es dreckige Straßen gibt und doch auch ein wunderschönes Theater und den tausendjährigen Park sowie eine atemberaubende Kathedrale spiegelt die Vielfältigkeit Russlands wieder. Menschen, die die Zeit der Sowjetunion und ihre Härte miterlebt haben und daneben junge Leute, die  in der Förderation leben und von einem Studienplatz und einem möglichen Leben in Ländern wie Deutschland oder England träumen, Schüler, die mit dem Handy im Klassenraum oder am Tisch auf den ersten Blick undiszipliniert wirken, aber zuhause alles für die Schule geben und erheblich mehr leisten, als so mancher Schüler in Deutschland.
Ich habe erfahren, dass Russland ein Land ist, wo man nicht nur einmal hin reisen sollte.
Es ist ein Land, welches so viele Gegensätze aufweist, dass man es samt seinen Einwohnern mit nur einer Reise gar nicht kennenlernen kann und es lohnt sich, Russland mit offenen Augen zu sehen.
Es ist interessant, Russland und die dortlebenden Leute mit allen Seiten zu sehen, mit all dem Fleiß, mit allen Kritikpunkten und mit all der Schönheit.
So einen Austausch kann ich nur jeden an´s Herz legen, der die Chance dazu hat, denn es ist erstaunlich, was man alles von anderen Ländern lernen kann.