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Warum eigentlich Lehrermangel? Ist der Lehrerberuf wirklich so unattraktiv?

 

Lehrermangel? Doch nicht bei uns? Manchmal haben wir sogar das Gefühl, dass unsere Klassen nur so von Referendar zu Referendar überreicht werden – Ein Mangel an Lehrern erscheint da weit weg. Tatsächlich besteht dieser aber und wird an vielen Schulen nun wegen Corona besonders bemerkbar, weil Lehrer über 60 im Normalfall erst einmal nicht präsent unterrichten.

 

Wie viele Lehrkräfte fehlen?

Der Beruf des Lehrers ist in jedem Kopf gegenwärtig und doch entscheiden sich immer weniger junge Menschen für ihn. Welche Auswirkungen hat das? Bei der Frage, wie viele Lehrer tatsächlich fehlen, spalten sich die Meinungen. Bundesweit sollen es mindestens 40.000 sein. Besonders ausgeprägt ist der Lehrermangel an Grundschulen: Die Kultusministerkonferenz sieht hier im Jahre 2025 12.400 fehlende Lehrer, die Bertelsmann-Stiftung sogar 26.000. Die Aussage, dass zu wenige Menschen ein Lehramtsstudium absolvieren, ist vor allem im Verhältnis zu der Schülerzahl zu sehen, denn diese steigt momentan stark an.

Gründe dafür sind eine wieder zunehmende Geburtenrate sowie geflüchtete Kinder und Jugendliche, die nun hier zur Schule gehen. Gleichzeitig gehen jährlich rund 30.000 Lehrer in Rente. Mit Blick auf die Tatsache, dass die Hälfte aller momentan unterrichtenden Lehrer über 50 Jahre alt ist, wird diese hohe Pensionierungszahl auch nicht so schnell wieder sinken. Die Situation verschärft sich noch insofern, als im Rahmen der Umstellung von G9 noch eine weitere Stufe unterrichtet werden muss.

 


Was könnte getan werden?

Inklusion, Ganztagseinrichtungen, individuelle Förderung, kleinere Klassen. Das sind eigentlich die Ziele der Bildungspolitik. Der Lehrermangel verhindert nicht nur die Erfüllung von manchen, sondern zwingt auch in einigen Fällen zum Gegenteil: Größere Klassen scheinen zum Beispiel eine nötige Maßnahme zu sein. Zwar kam die Pisa-Studie zu dem Ergebnis, dass Schüler in Ländern mit großen Klassen keine schlechteren Noten erbringen als  in Ländern mit kleineren Klassen. Allerdings müssen dann wohl erst einmal Abstriche beim Ziel der individuelleren Förderung gemacht werden, weil für den einzelnen Schüler weniger Aufmerksamkeit bleibt. Ebenfalls würde wohl die Rate an Burnouts bei Lehrern steigen – was einen noch größeren Lehrermangel bedeutet.

Eine andere anvisierte Maßnahme ist es, mehr Quer- und Seiteneinsteiger einzustellen. Damit sind Akademiker gemeint, die ein Studium in ihrem Fach abgeschlossen, dieses aber nicht auf Lehramt studiert haben. Nach einer Grundausbildung können sie trotzdem angestellt werden. Quereinsteiger unterscheiden sich noch insofern von Seiteneinsteigern, als sie ein Referendariat nachträglich ablegen. Doch gerade in Grundschulen muss auch immer öfter auf Seiteneinsteiger zurückgegriffen werden – So ist zwar überhaupt Unterricht möglich, häufig werden aber einfach nicht die nötigen pädagogischen Fertigkeiten mitgebracht. Deswegen will man am liebsten die „richtigen“ Lehrer zu Mehrarbeit überzeugen. Da insbesondere Grundschullehrerinnen aufgrund von eigenen kleinen Kindern oftmals nur Teilzeit arbeiten, könnte ihnen Vollzeitarbeit schmackhafter gemacht werden, indem sie bei der Kitaplatzvergabe bevorzugt würden. Erfolgsversprechend könnte auch sein, angehenden Lehrern vor und während des Studiums mehr Beratung zukommen zu lassen, damit sich diese zum einen „besser aufgehoben“ fühlen und zum anderen gegebenenfalls auch eher merken, wenn der Beruf doch nicht das Richtige für sie ist, sodass spätere Burnouts verhindert werden können. Naheliegend sind auch die zwei Ansätze der Erhöhung des Gehalts sowie der Studienplätze (, die aber natürlich auch nicht zielführend ist, sofern sich nicht mehr junge Leute für dieses Studium entscheiden). Noch mehr Städte könnten ein Lehramtsstudium anbieten, und nicht noch wegrationalisieren, wie es fatalerweise in Bonn vor einer Weile für einige Jahre geschehen ist. Allgemein gilt allerdings, dass Bildungspolitik Ländersache ist und der Staat nicht einfach Entscheidungen diesbezüglich für ganz Deutschland treffen kann.

Lehrermangel besteht in Deutschland schon seit einigen Jahren und wird in den kommenden Jahren wohl einen Höhepunkt erreichen, weil geburtsstarke Jahrgänge, die jetzt noch im Kindergartenalter sind, dann eingeschult werden.

 

Ein neues Problem?

Der Mangel an Lehrern ist auch kein neues Phänomen: Beispielsweise wurde zu Beginn des Zweiten Weltkriegs händeringend nach Lehrkräften gesucht, weil viele berufstätigen Lehrer in die Wehrmacht eingezogen wurden. Eigentlich hatten die Nazis zuvor wieder den sogenannten Lehrerinnenzölibat eingeführt, der Lehrerinnen das Heiraten untersagte und zum Zweck hatte, dass sich so möglichst wenige Frauen für den Lehrerinnenberuf entscheiden. Aus der Not heraus (nicht wegen der Eingebung, dass Frauen genauso gut geeignet sein könnten,) wurde dieser sogar wieder aufgehoben. Auch zu Zeiten der Entnazifizierung fielen plötzlich Lehrer weg, was in der Masse zu Lehrermangel führte. Aber auch unabhängig von solchen konkreten Ursachen kann man hier allgemein das Prinzip eines sogenannten wiederkehrenden Zyklus erkennen: Das Wissen, dass Lehrermangel besteht und somit gute Berufschancen herrschen, spornt viele junge Menschen an, das Studium zu beginnen. Als Folge gibt es dementsprechend viele Lehrer. Die sich dadurch einstellenden schlechten Berufschancen locken dann wieder weniger Studenten an und es besteht erneut ein Mangel. Somit war aber auch schon das Gegenteil in der Geschichte zu verzeichnen: In den 80er Jahren wurden besonders viele Lehrer angestellt, weil damit gerechnet wurde, dass sehr viele Kinder eingeschult würden, nämlich die der großen Babyboom-Generation. Jetzt, wo dieser regelrechte Überschuss an Lehrern mehr denn je gebraucht werden würde, ist für sie das Rentenalter gekommen. Mit Blick darauf wird als weitere Maßnahme versucht, älteren Lehrern mit einem Zuschuss an Gehalt schmackhaft zu machen, noch einige weitere Jahre zu unterrichten. Aber mal ehrlich, wer möchte das schon machen, wenn man endlich die wohlverdiente Rente vor sich hat?

 
Unattraktivität des Berufs vielleicht begründet?

Und die Rente ist wohl auch tatsächlich wohl verdient, denn dass es Lehrermangel auch nicht ganz ohne Grund gibt, ist wohl nicht von der Hand zu weisen: Gymnasiallehrer kommen im Jahr je nach Fächerkombination auf 940 bis 3656 Arbeitsstunden, das Korrigieren einberechnet. Im Klassenzimmer kann eine Lautstärke von  bis zu 86 Dezibel erreicht werden. Ein Drittel aller Lehrer weisen Burnout-Symptome auf, die sich merklich auf ihre Gesundheit auswirken. Eine Trennung von Berufs- und Privatleben fällt oftmals schwer – es ist nicht der Fall, dass man nach Hause kommt und dann Freizeit hat, bis man am nächsten Tag eben wieder hingeht. Und zuguterletzt wird das Tun auch nicht gerade wertgeschätzt. Der Beruf ist gerade in den letzten 100 Jahren in Verruf geraten: Laut dem Global Teacher Status Index steht Deutschland an 16. Stelle von 21 Ländern, wenn man sich das gesellschaftliche Ansehen von Lehrern ansieht. Nur jeder Fünfte hierzulande würde seinem Kind empfehlen den Beruf zu wählen.

Was denken unsere HBG-Lehrer? (3 Zitate)

Dass aber genau dies die richtige Wahl war, würden zum Glück viele unserer Lehrer bestätigen. Im Folgenden sind drei anonyme Zitate unserer HBG-Lehrer gesammelt, die darüber berichten, was sie zu ihrer Wahl bewogen hat und was ihnen an ihrer Arbeit besonders gefällt – was jetzt in der hauptsächlich unterrichtsfreien Zeit vielleicht noch mehr zum Ausdruck kommt:

„Warum bin ich Lehrerin geworden? Ich mag sehr den unmittelbaren Kontakt mit anderen Menschen ("face to face", wie man momentan so schön sagt.) Nach dem Abitur habe ich im Büro einer Möbelfirma gejobt und festgestellt, dass Büroarbeit überhaupt nichts für mich ist. Natürlich bekommt man in so einem Job (für 10 DM damals die Stunde) auch keine spannenden Aufgaben, aber insgesamt den ganzen Tag Papiere wälzen: schrecklich! Diese fürchterliche Langeweile und das Warten auf den Feierabend und das Wochenende... Ich wollte etwas Spannendes machen, so arbeiten, dass die Zeit im Fluge vergeht. Ich wollte mit Menschen umgehen, deren Reaktionen sehen, darauf eingehen... ein direktes feedback fand ich auch immer interessant. Man merkt, was gut läuft und was nicht so gelungen ist. Das gefällt mir. Jetzt in der Corona-Zeit stellt man natürlich auch umso deutlicher fest, dass dieser unmittelbare Kontakt durch nichts zu ersetzten ist, und ich freue mich darauf, euch und meine anderen Klassen wiederzusehen. In Bezug auf Französisch hat mich auch fasziniert, dass die Sprache natürlich der Schlüssel zur anderen Kultur und zu den Menschen in dem entsprechenden Land ist. Als Jugendliche habe ich in Frankreich so spannende Erfahrungen gemacht, dass mich das nie losgelassen hat.“

 

„Am Lehrerberuf gefällt mir die Dynamik in der Klasse, ich weiß es zu schätzen, dass es nie langweilig wird und man auch mal zusammen lachen kann. Es ist toll die Entwicklungsprozesse von Schüler*innen mitzuerleben, wenn ich einen kleinen Beitrag dazu leisten kann, dann ist das schon viel wert.
Darüber hinaus macht es mir Spaß, Unterricht zu planen und mich motiviert es, wenn ich das Gefühl habe, dass meine Schüler*innen Freude beim Lernen haben.
Außerdem finde ich den Beruf sehr vielseitig. Einerseits kann man fachlich arbeiten und wird intellektuell gefordert. Andererseits spielt Psychologie eine große Rolle, eine spannende Disziplin wie ich finde. Je nach Interessen kann man auch seine eigenen Schwerpunkte setzen, dies gilt sowohl für den Unterricht als auch für die außerunterrichtlichen Tätigkeiten.“

 

„Als ich im Juli 1974 am Gymnasium Hammonense mein Abitur gemacht habe, verabschiedete mich mein Klassenlehrer mit den Worten:" Früher oder später kriegen wir Dich!" Seitdem war ich auf der Flucht vor dem Lehrerberuf :)! 35 Jahre hat es gedauert, bis ich mit ziemlich viel Herzklopfen vor meinem ersten Päda-Kurs gestanden habe. Und dann habe ich bald sehr schnell gemerkt, dass ich wirklich angekommen war. Die Chance, jungen Menschen eine Zeit lang  "Entwicklunghilfe" geben zu dürfen, ihnen  die Faszination von Bildung zu erschließen und für sie relevante Fragen beantworten zu können, sucht einfach ihresgleichen."  

 

Das hört sich doch für unsere Schule gut an!

 

Fazit

Das Problem des Lehrermangels wird als verschieden drastisch betrachtet. Mit Blick darauf, dass der Unterricht an Grund-, Haupt- und Realschulen in den kommenden Jahren ab und zu ausfallen könnte, weil für die Klassen einfach kein Lehrer zur Verfügung steht, sprechen manche sogar von Staatsversagen. Immerhin sei es Aufgabe des Staates, eine gebildete zukünftige Bürgerschaft sicherzustellen. Aber wer weiß, vielleicht kommt es ja gar nicht erst dazu, weil sich viele von uns für den Beruf entscheiden und in Zukunft nicht mehr Klassenkameraden, sondern Kollegen sind.

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