„American Sniper ist ein US-amerikanischer Spielfilm von Clint Eastwood aus dem Jahr 2014. Der Film behandelt die Lebensgeschichte des kurz zuvor ermordeten United-States-Navy-SEALs-Scharfschützen Chris Kyle, der mit über 160 bestätigten Tötungen laut US-Verteidigungsministerium der erfolgreichste amerikanische Scharfschütze aller Zeiten war“.
So beginnt der Wikipedia-Artikel zu „American Sniper“. Nicht nur hier, sondern auch während des Films, fällt mehrfach das Wort „erfolgreich“ im Zusammenhang mit der Anzahl der durch Chris Kyle ermordeten Menschen. Seine 2 Jahre zuvor erschienene Autobiografie trägt den stolzen Titel „Sniper: 160 tödliche Treffer – Der beste Scharfschütze des US-Militärs packt aus“.
Der Film spielt zur Zeit des Irakkriegs. In der ersten Szene geht ein kleiner irakischer Junge ruhig auf amerikanische Soldaten zu. In seiner Hand hält er etwas, das aussieht wie eine Granate, genau erkennen kann man den Gegenstand allerdings nicht. Auf einem nahegelegenen Dach liegt Chris Kyle, seine Augen blicken durch ein Zielfernrohr, er muss die Entscheidung treffen, ob er den Jungen tötet oder nicht. In diesem Moment friert das Bild ein, der Film blendet zurück. Er zieht also die Ermordung eines Kindes ganz bewusst in Erwägung.
Leider wird die Heldenrolle des Chris Kyle nicht hinterfragt, genau so wenig wie der Krieg an sich oder der häufig im Film vertretene überschwängliche amerikanische Nationalstolz. Der Handlungsverlauf lässt keine Erklärung des komplexen Irakkriegs zu, außerdem ist beispielsweise bis zum Ende kein einziger irakischer Zivilist außerhalb des Kriegszusammenhangs zu sehen. Ein Film, der sich nahezu ausschließlich um einen Krieg dreht, sollte es sich allerdings zur Aufgabe machen, jeden Krieg zu hinterfragen und zu zeigen, dass ein Krieg niemandem hilft. Mehrere hunderttausend Menschenleben hat der Irakkrieg gekostet und das amerikanische Militär trug wesentlich dazu bei. Doch statt dies politisch und moralisch aufzuarbeiten zeigt der Film das Kriegsgeschehen aus einer einseitigen Perspektive, die es nicht erlaubt, diesen kritisch zu bewerten. Das Motto „wir sind die Amerikaner und die Guten, und ihr seid die Iraker und die Bösen“, ist allgegenwärtig, genau so wie die Überzeugung, dass Amerika und dessen Soldaten immer das richtige tun.
„Unter Propaganda versteht man Überredung statt Überzeugung“, sagt Rüdiger Suchsland vom Deutschlandfunk, demnach sei „American Sniper“ das „Schulbeispiel eines Propagandafilms“. Andere Stimmen wie der Politiker Newt Gingrich bezeichneten ihn jedoch als „patriotisches Meisterwerk“.
Filme können häufig ein Abbild der Gesellschaft sein. Laut Marc Pitzke von Spiegel Online ist es das bei „American Sniper“ allerdings nur soweit, bis es ins „patriotische Drehbuch passt“. So stellte auch Noam Chomsky, einer der renommiertesten Linguistiker weltweit und einer der prominentesten Kritiker der amerikanischen Politik, die Frage, was die „Verehrung eines kaltblütigen Killers mittels eines Kinofilms über das amerikanische Volk aussage“.
Laut vielen Experten muss man „American Sniper“ zwar ganz klar anerkennen, dass er eindrucksvoll zeigt, wie ein Krieg einem Menschen und seiner Familie psychisch schaden kann, allerdings spielt dabei das tatsächliche Töten der irakischen Soldaten kaum eine Rolle. Chris Kyle leidet, aber für etwas, wovon er überzeugt ist, dass es das Richtige ist, weil er schlichtweg überzeugt ist, dass das das ist, was Amerika nun mal tut. Der Chris Kyle aus der Realität bezeichnet in seiner Autobiografie die kämpfenden Iraker als „Wilde“ und „Bestien“ und schreibt, er bereue es nicht, so viele von ihnen getötet zu haben. Auch im Film selber beschreibt sein Kamerad den Irak als „Wilden Westen des Nahen Ostens“.
„American Sniper“ ist kein schlechter Film. Er ist handwerklich solide gedreht und überzeugt mit einem einwandfreien Bradley Cooper in der Hauptrolle, guter Kameraarbeit und eindrucksvoller, wenn auch klischeehafter Musik. Daher wurde er nicht ganz zu Unrecht zu 6 Oscars nominiert. Er berichtet zwar beeindruckend über das Kriegsgeschehen, allerdings sollte man beim Schauen nicht außer Acht lassen, dass Fragen nach z.B. dem Recht eines Soldaten, 160 Menschen aufgrund seines Berufes umzubringen, oder den Gründen, die die Bewunderung eines solchen Menschen legitimieren, unbeantwortet bleiben.