Fußball ist der in Deutschland mit Abstand beliebteste Sport. Über alle Generationen und Altersklassen hinweg begeistert der Deutsche Fußball-Bund mehr als 7 Millionen Menschen, die meisten davon hobbymäßig im örtlichen Verein. Die Anzahl der Fans dürfte allerdings weitaus höher liegen. Jeder kennt wohl mindestens eine Person, die einen bestimmten Verein unterstützt, wenn man es nicht selber tut. Doch für Anhänger der sogenannten „Ultrà-Bewegung“ ist das Wort „Fan“ wohl nicht mehr ausreichend. Sie pilgern jedes Wochenende in die Stadien, um ihren Verein spielen zu sehen, egal wann, wo und in welchem Wettbewerb und opfern den größten Teil ihrer Freizeit, um Choreographien zu gestalten oder neue Fangesänge zu schreiben.
Aber was sind Ultràs überhaupt? Und was zeichnet diese Personen aus? Viele assoziieren mit dem Wort „Ultràs“ vor allem eins: Chaoten. Bilder wie durch Stadien fliegende bengalische Feuer oder Gruppierungen zweier Fanlager, die sich an einem abgelegenen Ort treffen, um sich zu prügeln erscheinen schnell in den Köpfen, wenn es um Ultràs geht. Dass das meistens genau das ist, was Ultràs von Hooligans unterscheidet, ist vielen Leuten nicht bewusst. Bei Hooligans steht die Gewalt im Vordergrund, der Sport dient lediglich als Anlass dazu. Den größtenteils politisch links zuzuordnenden Ultràs hingegen geht es mehrheitlich um die Durchsetzung ihrer Faninteressen gegenüber dem Verein und insbesondere den Fußball an sich. In den letzten Jahren lässt sich allerdings leider vermehrt beobachten, dass Gewalt bei einigen Ultrà-Gruppierungen als akzeptiertes Mittel zur Durchsetzung ihrer Interessen gilt.
Am besten kann man Ultràs währen eines Fußballspiels im Stadion selber bemerken. Hier erfolgt die Unterstützung einerseits akustisch durch häufig von Trommeln begleitete Fangesänge, aber auch optisch durch Choreographien und das Einsetzen von bengalischen Feuern, Fahnen und Konfetti.
Ultràs kritisieren des Weiteren vor allem die Kommerzialisierung des Fußballs. Für sie ist es verwerflich, den Fußballfan als Kunden anzusehen, aus dem sich bspw. durch den Verkauf von Fanartikeln und Tickets Profit schlagen lässt. Stattdessen fordern sie den Erhalt des Sports als Kulturgut sowie die Identifikation mit dem Verein und der dazugehörigen Stadt.
Einige Ultrà-Gruppierungen engagieren sich auch politisch. Ein prominentes Beispiel innerhalb Deutschlands ist hierfür das Fanlager des FC St. Pauli aus Hamburg. Sie setzen sich aktiv gegen sexistische und rassistische Äußerungen im Stadion ein und unterstützen außerdem nicht nur finanziell die Gruppe „Lampedusa in Hamburg“, eine Vereinigung von rund 300 Flüchtlingen, die seit 2013 für ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland kämpfen, genau so wie die Initiative „Laut gegen Nazis“. Sie erreichten bereits die Integration von Regenbogenflaggen in Spielbekleidung und Fanartikel oder das Verbannen des Sponsors „Maxim“, eines Männermagazins, welches häufig durch sexistische Äußerungen auffiel. Außerdem tragen die Spieler des FC St. Pauli seit 2021 Trikots des eigens dafür gegründeten Herstellers „DIIY“, welche sehr hohe Standards an Nachhaltigkeit und fairer Produktion erfüllen.
Ultràs sind aber dennoch natürlich nicht ausschließlich positiv zu bewerten und an vielen Medienberichten ist auch etwas Wahres dran. Ein großer Kritikpunkt ist beispielsweise das vielfältige Einsetzen von Pyrotechnik und anderen Feuerwerkskörpern, die nicht nur die Ultràs selber, sondern auch andere, unbeteiligte Stadionbesucher gefährden. So wurden in der Saison 2018/19 im deutschen Profibereich mehr als 150 Verletzte durch Pyrotechnik gezählt, das macht fast 10% der Verletzten in und um das Stadion insgesamt aus. Wie bereits erwähnt sind auch von Ultràs ausgehende körperliche Angriffe nicht immer auszuschließen und dass riesige Wasserwerfer und trainierte Polizisten mit Schlagstöcken bei einigen Fußballspielen nötig sind, um die Gemüter dieser Leute im Zaum zu halten, ist durchaus beängstigend. Dennoch sollte man Ultràs nicht generell als gewaltverherrlichende Fußballfans abstempeln, die den Sport ausnutzen, um sich zu prügeln.