Laut eigener Aussage hätte unser Schulleiter nie damit gerechnet, einmal als Zeitzeuge auf der Bühne zu stehen. Doch genau das war am 07. November der Fall. Die Oberstufe hatte die Möglichkeit, dank der Erzählungen über die jeweiligen Fluchtversuche aus der DDR von Herrn Schwerk und Herrn Last in eine Vergangenheit einzutauchen, in der ein geteiltes Deutschland noch selbstverständlich- aber nicht gewünscht- war.
Zwar gehören Herr Schwerk und Herr Last unterschiedlichen Generationen an, abgesehen davon teilen sie aber viele Gemeinsamkeiten. Während in der Kindheit der Wunsch nach einem Leben außerhalb der DDR noch kein Thema war, insbesondere wegen der großen Leidenschaft von beiden für den Sport, die den Besuch von Sportschulen ermöglichte, änderte sich dies später. Als junge Erwachsene entschieden sie sich dann für die alleinige Flucht.
Herr Schwerk wählte 1966 den direkten Weg aus dem Osten Deutschlands in die BRD, indem er nach zahlreichen Auskundschaftungen einen günstigen Moment abpasste, um aus dem angehaltenen Zug die Grenze zu überqueren. Dabei musste er Stacheldrahtzäune überwinden und in einen Schacht springen, den er nicht erwartet hatte, ohne das Wissen, wie tief jener ist. Zwar wurde seine Anwesenheit bemerkt, jedoch gelang es ihm, rechtzeitig den Schacht und ihn letztendlich an sein lang ersehntes Ziel, die andere Seite der Mauer, brachten. Dagegen beabsichtigte Herr Last 1989 eine Flucht über Ungarn. Dazu flog er nach Budapest und versuchte, von dort übers Ausland in die BRD zu gelangen. Vorerst rechnete er mit der versprochenen Hilfe von neuen Bekannten, die ihm allerdings nie zu Gute kam, da das Versprechen von jenen nicht eingehalten wurde. Auf sich allein gestellt versuchte er es trotzdem, jedoch war weder der erste noch der folgende zweite Versuch erfolgreich, bei beiden wurde er im Grenzgebiet entdeckt. Zwar ging Herr Last aufgrund von Erfahrungsberichten anderer davon aus, dass er, erst einmal der Zone entkommen, nicht in die DDR zurückgeschickt wird, jedoch wurde so lange auf ihn eingeredet, dass er mit Anbetracht auf die fehlende Alternative und auswegslose Situation tatsächlich den Rückweg in seine alte Heimat antrat. Glücklicherweise dauerte es nur noch wenige Monate bis zum lang ersehnten Ende…
Herr Schwerk sowie Herr Last haben der Oberstufe ihre persönlichen Erfahrungen über die Flucht aus der DDR sehr eindrücklich erzählt, sodass man die Veranstaltung schlussendlich mit einem neuen und detailreicheren Bild von der damaligen Situation verließ. Die Beschreibung des konkreten Fluchtereignisses war so fesselnd, dass man fast das Gefühl verspürte, im Kino während eines Actionfilms mit Verfolgungsjagd zu sitzen. Auch das beschriebene Gefühl, das sie verspürten, als sie jeweils vom Mauerfall erfuhren, lässt unsere Generation besser verstehen, wie die zahlreichen Bilder von glücküberwältigten, auf der Mauer stehenden Menschen zustande kamen. Es ist kaum vorstellbar, dass die beiden jungen Erwachsenen, die zum Zeitpunkt der Flucht nur wenige Jahre älter waren als wir jetzt, vor noch gar nicht so vielen Jahrzehnten solch ein prägendes Erlebnis, die Flucht, erlebten und infolgedessen Risiken in Kauf nahmen, die noch einmal bestätigen, wie groß der Wunsch nach Freiheit war.
Zweifelsohne wurde der Oberstufe an diesem Tag noch einmal nahe gebracht, dass ein vereinigtes Deutschland entgegen unserer persönlichen Erfahrungen nicht selbstverständlich ist, und es gilt, diesen Zustand zu schätzen und zu bewahren.